Assessment Center für Führungskräfte gewinnen an Bedeutung

Dr. Susanne Sachtleber: Expertin für Assessmentcenter, Kommunikationswissenschaftlerin, langjährige Erfahrung im Management, als Ber aterin und Coach mit nationaler und internationaler Erfahrung.

JOBCOLLEGE wurde im Jahr 2002 gegründet und ist ein bekanntes Bewerbungs- und Karriereberatungsunternehmen. Bundesweit an mehreren Standorten in Hamburg, Hannover, Berlin, Erfurt, Stuttgart, München, Freiburg und Rosenheim vertreten. Jeder Standort ist von einem erfahrenen Jobcoach bzw. Karriereberater besetzt. Für Führungskräfte hat JOBCOLLEGE ein spezielles Personal-USP Training bzw. Coaching im Angebot.

Assessment Center für Führungskräfte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Wie muss man sich den Ablauf eines Einzel-Assessments vorstellen und was sind spezifische Aufgabenstellungen?

Frau Dr. Sachtleber:

Das AC ist – nach dem strukturierten Interview mit einer Einsatzhäufigkeit von über 50% ist  – die zweithäufigste Methode(mit etwa 17%), die Unternehmen bei der Auswahl von externen Bewerbern für untere und mittlere Führungskräfte einsetzen. Bei der Auswahl von Top- Führungskräften liegt der Prozentsatz – nur – bei ca. 10% (H. Schuler, 2007). Was beinhaltet nun diese „blackbox“ AC?  Ein AC ist eine Art simulative Arbeitsprobe für Führungskräfte. Das Grundprinzip ist die Simulation erfolgskritischer Herausforderungen für die zu besetzende Position auf deren Basis dann Bewerber, die die formalen und fachlichen Anforderungshürden bereits genommen haben und auf Grund erster Gespräche als „vorstellbar“ für eine Position von den Entscheidungsträgern im Unternehmen beurteilt wurden, nach objektivierten Kriterien verglichen werden können.

In einem AC wird das Verhalten von Bewerbern beobachtet und bezogen auf das konkrete Anforderungsprofil der Position hin beurteilt. Die Bewerber werden meist im Verlaufe eines Tages in einem konkreten Szenario in Rollensimulationen mit 3 bis 4 ganz unterschiedlichen Aufgaben konfrontiert, zum Beispiel mit einem kritischen Mitarbeitergespräch, der Begegnung mit Kollegen im Unternehmen, einem Gespräch mit einem Vorgesetzten oder als Teilnehmer eines interdisziplinären Teams.

Um die Auffassungsgabe und die konzeptionellen Fähigkeiten des Bewerbers zu überprüfen, wird häufig die Erarbeitung eines business-case aus dem Unternehmenskontext mit anschließender Präsentation bzw. Diskussion verlangt.

In all diesen Simulationen wird das Bewerber-Verhalten von externen und / oder internen Assessoren beobachtet und auf Basis des konkreten Kompetenzprofils und den daraus abgeleiteten Kernverhaltensweisen für die Position bewertet. Die berühmt-berüchtigte „Postkorb-Übung“, die heute zu einer Email-Übung geworden ist, lässt erkennen, ob der Teilnehmer Prioritäten setzen kann, entscheidungsfähig ist, und wie er in einer Organisation kommuniziert.

Ein ausführliches, strukturiertes Interview, in dem vor allem der bisherige professionelle Werdegang reflektiert wird,  ergänzt diese Rollensimulationen. Die Frage der Motivation zur Entscheidung für ein bestimmtes Studium, einen Auslandsaufenthalt sowie auch privates beziehungsweise gesellschaftliches Engagement sind darüber hinaus relevante Themen.

Auf welche Einzelparameter wird in der Regel das Assessment ausgelegt. In welche Kategorien lassen sich im Wesentlichen die Merkmale differenzieren (Persönlichkeit,  Begabung, Verhalten etc.)

Dr. Sachtleber:

Mit zunehmend höherer Leitungsfunktion stellen Intelligenz, Wissen und erworbene Kompetenzen die notwendigen Bedingungen für ein erfolgreiches Handeln in Führungspositionen sowie für einen langfristigen Berufserfolg dar.

Ein Assessment erfasst vor allem beruflich relevante, überfachliche Kompetenzen eines Bewerbers, die mit den strategisch abgeleiteten Kompetenzen der konkreten Position „gematcht“ werden.  Diese werden einerseits durch die Beobachtung von konkretem Verhalten in spezifischen Situationen analysiert, andererseits durch den Einsatz von online-tests zur  Erfassung von konkreten Persönlichkeitsfaktoren und  intellektueller Leistungsfähigkeit ergänzt. In diesen Verfahren liefern die Kandidaten eine Selbstbeschreibung, die dann mit Ergebnissen einer mehr oder weniger  spezifischen Vergleichsgruppe in Beziehung gesetzt werden.

In einem AC wird also kein individuelles psychologisches Gutachten erstellt und auch kein „wahres „ Bild gezeichnet. In einem AC wird konkretes Verhalten beobachtet, wahrgenommen und bezogen auf bestimmte Faktoren bewertet sowie die Selbsteinschätzung eines Kandidaten mit den Selbsteinschätzungen von vergleichbaren Kandidaten in Relation gesetzt – nicht mehr und nicht weniger. Auf dieser Basis bilden die Assessoren Hypothesen über die Kompetenzen und das Potenzial eines Bewerbers, die dann in einem oder zwei strukturierten Interviews überprüft werden.

Als beruflich relevante, überfachliche Kompetenzcluster gelten z.B. die Berufliche Orientierung, das Arbeitsverhalten, Soziale Kompetenzen und die Psychische Konstitution eines Bewerbers (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeit) oder  Zwischenmenschliches Verhalten, Denkstil, Emotion und Motivation (shl OPQ32). Die Liste der überfachlichen Kompetenzanforderungen bzw. Schlüsselkompetenzen, die diesen Kompetenzclustern zugeordnet werden, umfasst dabei meist: Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, Leistungsbereitschaft, Selbständigkeit, Belastbarkeit, VerDr. Sachtleberungsbewusstsein, Durchsetzungsvermögen (vgl. C. Beck 2007). Es wird allerdings deutlich, dass eine solch allgemeine Liste keine Grundlage für einen spezifischen Auswahlprozess darstellen kann – sondern nur die Kriterien umreißt , die dann sehr konkret mit erwünschtem Verhalten hinterlegt werden müssen – und damit dann beobachtbar und bewertbar werden.

Ist der wissenschaftliche Nutzen gesichert? gerade beim Thema Persönlichkeit, gibt es doch vielerlei Interpretationen?

Dr. Sachtleber:

Viele psychologische Testverfahren stammen mangels Alternativen ursprünglich aus dem klinischen, genauer gesagt dem psycho-pathologischen Bereich. Die den beruflichen Erfordernissen angepassten Verfahren, die in AC’s eingesetzt werden, geben Aufschluss über bevorzugte Arbeits- und Verhaltensweisen, Organisationsfähigkeiten, Problemlösungsstrategien, Wertigkeit von bestimmten Tätigkeiten oder  materiellen Kriterien des Arbeitslebens. Belastbar sind diese Ergebnisse, wenn es sich um ein wissenschaftlich erarbeitetes und validiertes Verfahren handelt (zu finden z.B. unter www.testzentrale.de) – und wenn sie von dafür ausgebildeten Experten, Assessoren bzw. Beratern eingesetzt sowie im Zusammenhang mit den anderen bereits genannten Quellen zur Bewertung genutzt werden. Dazu gehört auch ein qualifiziertes Feedback an die Kandidaten, damit diese in der Lage sind, die Ergebnisse im entsprechenden Kontext gewichten zu können. Nackte Daten oder isolierte Ergebnisse schaden allen Beteiligten – auch den Entscheidern im Unternehmen – mehr, als dass sie Nutzen stiften können.

Welches sind die prägenden fünf Persönlichkeitsmerkmale, welche bei einem Einzel Assessment verifiziert werden?

Dr. Sachtleber:

Die meisten Kompetenzmodelle beziehen sich in der Tat auf die „Big Five“ oder das „Fünf-Faktoren-Modell“, das bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts seinen Ursprung hat (G. Allport und H. Odbert). Ziel war, das Verhalten eines menschlichen Individuums von einem anderen zu unterscheiden“. Belastbare Ergebnisse konnten dann allerdings erst mit Hilfe von computerunterstützten Verfahren in den 80er Jahren geliefert werden. Es ließen sich fünf Gruppen sinnverwandter Begriffe aufzeigen, mit denen die individuellen Unterschiede von Persönlichkeit größtenteils erfasst werden können. Heute werden sie repräsentiert durch die fünf Buchstaben N,E , O, A und C. Kurz beschrieben werden damit folgende Persönlichkeitsdimensionen erfasst:

N: Emotionale Labilität; Negative Emotionalität; Emotionale Stabilität

E: Extraversion; Positive Emotionalität; Soziabilität

O: Kreativität; Offenheit für Erfahrung; Vorstellungskraft

A: Anpassung; Verträglichkeit; Nachgiebigkeit

C: Festigung; Gewissenhaftigkeit; Leistungsstreben.

Dieser theoretische Ansatz wird genutzt, um die berufsrelevanten Kriterien wie z.B. Kommunikationsverhalten, Beziehungsaufbau und Pflege, Stressverhalten etc. zu beschreiben, beobachtbar und vergleichbar zu machen. Die Erkenntnisse können dann – über die Fragen nach der Personalauswahl hinaus – vor allem genutzt werden, um den eigenen Führungsstil zu entwickeln, ein Team gezielt zu führen oder im Vertrieb erfolgreich zu sein – d.h. sie können in allen professionellen Bereichen Anwendung finden, in denen die Persönlichkeit eines Bewerbers oder einer Führungskraft ein   entscheidender Erfolgsfaktor ist .

Gibt es im Internet nützliche und frei verfügbare Online Tools, mit welchen man im Vorfeld ein Probelauf starten kann bzw.  gibt es einen Weg der optimalen Vorbereitung?

Dr. Sachtleber:

AC-Verfahren können nicht vollständig „online“ durchgeführt werden, da sie ja vor allem aus der Beobachtung von Verhalten des Bewerbers vor Ort bestehen. Online-Tests können – wie bereits oben erwähnt – Persönlichkeitstests sein, Intelligenztests, Tests die sich zum Beispiel speziell auf Fähigkeiten für den Vertrieb beziehen oder die Potenziale für eine Führungskraft überprüfen.

Als Bewerber kann man heute fast auf jedem Job-Portal irgendeine Form von „Eignungstest“ kostenlos oder für einen geringen Beitrag abrufen – welche allerdings – vorausgesetzt es sind wissenschaftlich-fundierte Verfahren – ohne professionelles, individualisiertes Feedback nur von geringem Wert für einen Bewerber sein können.

Für das Gesamt-Verfahren eines AC‘s sollten sich Bewerber mit möglichen Abläufen eines AC so vertraut wie möglich machen (s. Beschreibung oben). Die für sie „kritischen“ Situationen sollten sie einige Male vorher „durchspielen“, um Sicherheit und Routine zu bekommen. Ebenso sollten Bewerber, die sich selbst in Gruppensituationen eher zurückhalten, vorher bewusst solche Situationen suchen und Grenzen für sich austesten. In beiden Fällen bietet sich dann tatsächlich ein professionelles Bewerbercoaching an, um sich mit solchen Auswahlsituation aber auch anderen Situationen, die im Berufsleben auf einen zu kommen werden, sicherer zu fühlen.

Ansonsten ist es auf jeden Fall wertvoll, sich mit dem Unternehmen, bei dem man sich bewirbt und den beschriebenen Anforderungen intensiv vertraut zu machen, z.B. den Unternehmenswerten oder Führungsleitlinien – und sich vorzustellen, wie man die angestrebte Position mit seinen individuellen Kompetenzen, dem eigenen Erfahrungshintergrund sowie dem persönlichen Verhaltensrepertoire ausfüllen würde – und warum man ausgerechnet diese Position anstrebt.

Über Jobcollege:

JOBCOLLEGE leistet als KompetenzPartner mit den drei Geschäftsbereichen BewerbungsPartner , KarrierePartner und UnternehmensPartner ein ganzheitliches Angebot rund um die Themenfelder Bewerbungsprozess, Karriereentwicklung und Personaldienstleistung. Mehr Informationen über das Beratungsangebot unter www.Jobcollege.de

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