Manche Menschen sind fachlich nicht sehr fit. Trotzdem punkten sie im Job häufiger als ihre Kollegen – sei es beim Chef, im Gespräch mit einem Headhunter oder bei Kunden. Sie sind auch nicht besonders attraktiv. Trotzdem erreichen sie beim Flirten meist ihr Ziel. Und in überfüllten Restaurants? Dort bekommen sie nach einem Plausch mit dem Kellner stets einen Tisch – selbst wenn sie ihm kein Bakschisch zustecken. Immer wieder stellen wir in unserem Leben fest: Erfolg hat, wer sich und seine Ideen gut verkauft. Sei es in Gehaltsverhandlungen oder Verkaufsgesprächen, beim Sich-bewerben oder Flirten. Doch was zeichnet einen guten „Selbst-Verkäufer“ aus? Vor allem Menschenkenntnis – also die Fähigkeit, andere Menschen schnell richtig einschätzen zu können und zu erkennen: Was für ein „Typ“ ist mein Gegenüber? Was ist ihm wichtig? Und: Über welchen Kanal erreiche ich ihn?
Vor solchen Fragen stehen wir oft – beruflich und privat. Bei ihrer Beantwortung hilft uns unsere Menschenkenntnis. Und diese können wir trainieren sagt, Kurt-Georg Scheible, Inhaber des Beratungsunternehmens ErfolgsCampus in Stuttgart. Er ist zudem Autor des Buchs „Menschenkenntnis: Personen richtig einschätzen und überzeugen“.
Menschenkenntnis kann man lernen
„Diese Fähigkeit hab’ ich nicht“, sagen Sie vielleicht. Macht nichts! Sie können sie erwerben. Der erste Schritt hierzu ist: Sie müssen akzeptieren, dass die Menschen verschieden sind. Sie „ticken“ sozusagen unterschiedlich. Wer das nicht weiß, funkt oft auf dem falschen Kanal und seine Botschaften kommen nicht oder anders als gemeint an.
Doch wie erkenne ich, was für ein Typ mir gegenüber steht? Generell lassen sich drei Grundtypen unterscheiden. Die „Dynamiker“: Für sie ist in fast allen Lebenslagen „Action“ wichtig. Sie wollen was erleben und bewegen – beruflich und privat. Ganz anders ticken die „Logiker“. Sie haben Angst vor voreiligen Schlüssen und Neuem stehen sie abwartend skeptisch gegenüber. Denn ihnen ist nicht nur Sicherheit wichtig, sie wollen auch die Kontrolle bewahren. Und „Sympathiker“? Sie streben vor allem nach Harmonie und sozialer Anerkennung.
Welcher dieser drei Typen Ihnen gegenüber steht, erkennen Sie unter anderem an der Sprache. Dynamiker wollen meist schnell zum Punkt kommen. Dem entspricht ihre Sprache. Sie ist knapp, kurz angebunden und sehr handlungsbezogen. Gemäß der Maxime: Nicht lange um den heißen Brei reden und möglichst wenig Gefühlsduselei.
Anders ist die Sprache der Sympathiker. Rein Fakten abhaken, mögen sie nicht. Denn das empfinden sie als kalt und unpersönlich. Sie beziehen sich beim Sprechen gerne auf (gemeinsam) Erfahrenes und Vertrautes. Und unangenehme Dinge sprechen sie eher indirekt an. Und Logiker? Sie wägen die Vor- und Nachteile einer Idee oder Lösung sorgfältig ab. Denn Entscheidungen müssen reifen. Sie wollen sich weder von ihren Gefühlen bestimmen lassen, noch in vorschnellen Aktionismus verfallen. Entsprechend gerne beziehen sie sich auf Fakten.
Die passende Sprache wählen
Doch Vorsicht! In Reinform gibt es besagte Persönlichkeitstypen kaum. Fast alle Menschen sind Mischformen hiervon. Letztlich lautet also die Frage, die wir uns beim Kommunizieren mit anderen Menschen stellen sollten: Welche Persönlichkeitsmerkmale sind beim Gegenüber überproportional stark ausgeprägt?
Warum dies wichtig ist, sei an einem Beispiel illustriert. Nehmen wir an, ein Sympathiker möchte seinem Chef, einem Dynamiker, ein Projekt schmackhaft machen. In dessen Büro angekommen fragt er seinen Chef zunächst, wie es ihm geht. Er führt also Smalltalk – solange bis der Chef fragt: „Warum wollen Sie mich eigentlich sprechen?“. Daraufhin präsentiert der Mitarbeiter seinen Projektvorschlag, wobei er häufig Aussagen wie „Ich habe das Gefühl ….“ und „Nach meinem Empfinden …“ benutzt; des Weiteren begründet er seinen Vorschlag damit, dass dessen Realisierung gut für das Betriebsklima sei. „Die Zusammenarbeit wird harmonischer und stressfreier.“
Glauben Sie, der Mitarbeiter kann mit einem solchen Gesprächsverhalten seinen Vorgesetzten für seinen Vorschlag erwärmen? Vermutlich nicht! Der Team- oder Abteilungsleiter wird vielmehr umso ungeduldiger werden, je länger der Mitarbeiter spricht. Denn er hat den Eindruck: Der stiehlt mir meine Zeit. Der redet um den heißen Brei und kommt nicht auf den Punkt. Denn als Dynamiker will er primär wissen: „Was kostet es?“ „Wie aufwändig ist das Ganze?“ Und: „Welchen Nutzen hat das Unternehmen davon?“ Erhält er diese Info nicht, in komprimierter Form, sieht er keinen Anlass, sich mit dem Thema intensiver zu befassen.
„Ja“ würde der Chef vermutlich sagen, wenn der Mitarbeiter beim Vortragen seiner Idee, die Zeit- und Kostenersparnisse hervorheben würde, die das Unternehmen erzielen kann – in kurzer Zeit. Und dies nicht nur mit blumigen Worten, sondern anhand einer ersten Kosten-Nutzen-Kalkulation und einer vorläufigen Projektskizze
Die „Vorlieben“ des Partners erkunden
Häufig hängt es von der verbalen Verpackung unserer Ideen ab, ob wir unser Ziel erreichen. Doch woran erkennen wir, wie wir unsere Aussagen verpacken sollten, wenn wir einer Person erstmals begegnen? Vor dieser Herausforderung stehen nicht nur Verkäufer oft. Auch in Bewerbungsgesprächen oder bei Projektmeetings ist dies vielfach der Fall. Erste Indizien dafür, was für ein Typ uns gegenüber steht, liefern uns meist die Kleidung und Körpersprache einer Person. Dynamiker treten zum Beispiel tendenziell forscher auf als Logiker. Sie sprechen zudem meist lauter und schneller. Und ihre Kleidung sticht eher ins Auge als die der eher sachlich, nüchternen Logiker.
Auch Beruf und Position im Unternehmen sind oft Indizien für gewisse Präferenzen. Geschäftsführer und Verkäufer sind häufig Dynamiker; Controller und IT-Spezialisten hingegen Logiker. Und Pädagogen sowie Sozialarbeiter? Sie sind meist Sympathiker. Aufschlussreich ist auch die Wohnungseinrichtung oder Büroausstattung. Wirkt ein Büro eher nüchtern und kahl, dann deutet dies auf einen Dynamiker hin. Ist der Raum hingegen in warmen Farben gestaltet, und befindet sich darin viele Accessoires wie Blumen sowie Bilder von geliebten Personen, dann deutet dies auf einen Sympathiker hin.
Das Gesicht des Gegenübers lesen
Ein Hilfsmittel beim Bilden erster Thesen, wie unser Gegenüber tickt, kann auch das Gesichterlesen sein. An dieser auch Physiognomik genannten „(Pseudo-)Wissenschaft“ scheiden sich zwar die Geister. Viele Verkäufer und Personalberater – also Personen, die oft fremde Personen schnell einschätzen müssen – sammeln damit aber positive Erfahrungen. Aus folgendem Grund: Ihre Kleidung können Menschen verändern. Und die Mimik sowie Gestik einer Person wird auch von der Situation und vom aktuellen Befinden beeinflusst. Unveränderlich sind aber solche Körpermerkmale wie die Größe und Form der Nase (sieht man von operativen Eingriffen ab). Und aus ihnen kann man erste Rückschlüsse auf das Wesen einer Person ziehen. Davon waren zumindest die Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) überzeugt, die in einer Art „Katalog“ rund 300 unveränderliche Gesichtsmerkmale auslisteten und ihnen gewisse Charaktereigenschaften zuordneten.
Beim Gesichterlesen werden drei Bereiche im Gesicht unterschieden: die Stirn, die mittlere Gesichtspartie, die von den Augen bis zur Nase reicht, und die untere Gesichtspartie, die unter anderem Mund, Kiefer und Kinn umfasst. Dabei wird die Stirn als der Bereich verstanden, der den Geist sowie Intellekt widerspiegelt, und die mittlere Partie als der Bereich, der Auskunft über das Emotionale und die Seele gibt. Die untere Gesichtspartie hingegen wird als Repräsentanz des Körpers gesehen.
Wirkt das Verhältnis zwischen den drei Gesichtszonen auf den Betrachter ausgewogen, so wird dies als Indiz für eine ausgeglichene Wesensart verstanden. Sticht hingegen beim Betrachten eine Gesichtspartie besonders ins Auge, dann wird dies als Hinweis auf eine überproportional starke Ausprägung gewisser Eigenschaften gesehen. So deutet zum Beispiel eine sehr ausprägte Stirn auf einen Logiker hin. Und wenn die mittlere Gesichtspartie die Wahrnehmung dominiert? Dann ist dies ein Indiz für einen Sympathiker. Weitere Detailinfos liefern uns solche Merkmale wie die Größe und Form der Nase, die Falten auf der Stirn, der Form der Lippen sowie des Kinns und die Abstände zwischen Mund und Nase.
Körperliche Reaktionen wahrnehmen
Das Gesicht liefert uns aber nicht nur erste Hinweise auf die Eigenschaften und Verhaltenspräferenzen einer Person – deren Richtigkeit es selbstverständlich im Verlauf des Gesprächs zu überprüfen gilt. Das Gesicht verrät uns auch, wie sich unser Gegenüber gerade fühlt. Denn nur wenige Menschen können ihre spontanen Körperreaktionen total beherrschen. Und aus diesen können wir Rückschlüsse auf ihr Befinden ziehen.
Hierfür ein Beispiel. Nehmen wir an, ihr Gegenüber fasst sich im Gespräch (unbewusst) mit einer Hand immer wieder ins Gesicht. Dann ist dies ein Signal dafür: Ihn beschäftigt etwas intensiv. Berührt er immer wieder dieselbe Gesichtspartie, dann „verrät“ dies: In diesem Bereich liegt bei der Person etwas im Argen. Angenommen Ihr Gesprächspartner fasst sich häufig oder lange an die Stirn. Dann hat er ein „Problem“ im geistig-intellektuellen Bereich. Fasst er sich hingegen immer wieder an die Nase, also einen Teil der mittleren Gesichtspartie, hat er eher ein „Problem“ im seelisch-emotionalen Bereich.
Wenn Sie solche Signale registrieren und darauf angemessen reagieren, erfahren Sie mehr darüber, was Ihr Gegenüber gerade bewegt. Nehmen wir an, Ihr Partner fasst sich an die Stirn. Dann können zum Beispiel fragen: „Was schießt Ihnen gerade durch den Kopf?“ oder „Was denken Sie über das, was ich gesagt habe?“. Fasst er sich hingegen an die Nasenspitze oder Wange, dann könnte Ihre Frage lauten: „Wie geht es Ihnen mit dem, was Sie gerade hören?“. Und wenn der Partner mit dem Finger immer wieder den Bereich zwischen Mund und Kinn berührt? Dann könnten Sie fragen: „Was würden Sie jetzt am liebsten machen?“ oder „Was wäre ein guter nächster Schritt?“
Probieren Sie das einmal in Gesprächen aus. Sie werden erstaunt sein, wie viel Infos über seine Empfindungen und Bedürfnisse Ihnen Ihr Gegenüber gibt und wie gut er sich von Ihnen verstanden fühlt. Entsprechend leicht fällt es Ihnen, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen und eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihrem Partner aufzubauen. Und entsprechend leicht können ihn für sich und Ihre Ideen begeistern.
Von Kurt-Georg Scheible
Zum Autor:
Kurt-Georg Scheible ist Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens ErfolgsCampus,
Frankfurt am Main/
Stuttgart (www.erfolgscampus.de). Kontakt: Tel. 0711/222 54 478
; E-Mail:
[email protected]
). Er
ist Autor des im Cornelsen Verlag erschienenen Buchs „Menschenkenntnis: Personen richtig einschätzen und überzeugen“.
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