Neben dem „Situativen Führen“ zählt das „Führen mit Zielen“ zu den Klassikern in der Führungslehre. Trotzdem erlebt es seit einigen Jahren eine Renaissance. Warum, erklärt der Managementberater Hans-Jörg Schumacher von der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal im Interview mit www.executivesearchconsultants.de
Das Thema ‘Führen mit Zielen’ ist ein Klassiker im Bereich Führung. Trotzdem erlebt es seit einigen Jahren eine Renaissance. Warum?
Schumacher: Generell kann man bei den Unternehmen im Führungsbereich eine Rückbesinnung auf Altbewährtes konstatieren. Das ist in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten oft der Fall.
Dies genügt als Erklärung aber vermutlich nicht.
Schumacher: Richtig. Hinzu kommt: Als Peter Drucker 1954 das Konzept ‘management by objectives’ vorstellte, ging er von folgenden Postulaten aus. Erstens: Das Handeln aller Bereiche und Mitarbeiter muss sich an Zielen des Gesamtunternehmens orientieren, und die mit ihnen vereinbarten Ziele müssen sich aus den Zielsetzungen des Gesamtunternehmens ableiten. Zweitens: Das MbO hat, weil die Mitarbeiter am Formulieren der Ziele beteiligt sind, auch eine Motivationsfunktion. Insbesondere das zweite Postulat beachteten in der Folgezeit viele Führungskräfte nicht.
Inwiefern?
Schumacher: Sie benutzen die Ziele oft primär als Macht- und Kontrollinstrument und verwalteten sie gleich Soll-/Ist-Analysen. Dadurch verkam das Führen über Ziele zu einem reinen Formalismus, weil das partnerschaftlich-kooperative Element fehlte. Dieser Umgang mit dem Thema Zielvereinbarung ist falsch. Das haben viele Unternehmen erkannt.
Reicht das als Erklärung, warum man aktuell vielfach den Eindruck hat, die Unternehmen entdecken das Thema ‚Führen mit Zielen’ neu?
Schumacher: Nein, eine weitere Ursache ist die aktuelle Neuorientierung und -positionierung vieler Unternehmen. Damit ist meist eine Neudefinition der Kernkompetenzen und -prozesse durch das Top-Management verbunden. Diese strategischen Entscheidungen müssen den Unternehmensbereichen und Mitarbeitern vermittelt werden. Hierfür sind Zielvereinbarungsgespräche ein geeignetes Instrument. Hinzu kommt, wegen des mit der Umstrukturierung oft verbundenen Abbaus von Personal und Hierarchieebenen haben die verbliebenen Führungskräfte heute größere Aufgabenfelder. Also müssen sie ihre Energien und Ressourcen stärker bündeln. Auch hierfür ist das MbO ein geeignetes Instrument.
Erfordert das Führen von Zielvereinbarungsgesprächen nicht selbst viel Zeit?
Schumacher: Selbstverständlich. Wenn die Mitarbeiter anschließend aber die vereinbarten Ziele mittragen und deren Erreichen weitgehend selbst kontrollieren, gewinnen die Führungskräfte dadurch wieder Freiräume und Zeit. Inwieweit dies geschieht, hängt aber weitgehend von den Inhalten der Gespräche ab?
Inwiefern?
Schumacher: Oft sprechen Führungskräfte in den sogenannten Zielvereinbarungsgesprächen mit ihren Mitarbeitern mehr über Aufgaben und Maßnahmen als über Ziele. Einigen fällt es schwer, zwischen Zielen, Maßnahmen und Aufgaben zu unterscheiden.
Warum?
Schumacher: Zum Teil bestehen hier Schulungs- und Informationsdefizite. Oft liegt die Ursache aber auch darin, dass die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Mitarbeiter in der Regel um so kleiner werden, je weiter man in der Unternehmenshierarchie nach unten kommt. Das erschwert es, qualifizierte Ziele zu vereinbaren.
So dass die Zielvereinbarungen letztlich nur Aufgaben auflisten?
Schumacher: Ja. Darum werden in vielen Unternehmen zwar mit allen Mitarbeitern Mitarbeitergespräche geführt, Zielvereinbarungsgespräche aber nur mit den mittleren und oberen Führungskräften.
Welche Rolle spielt das Top-Management beim Einführen und am Leben-erhalten des MbO?
Schumacher: Wenn die oberen Führungskräfte nicht dahinter stehen, gelingt die Einführung nicht. Und danach erstarrt es, ohne ein Vorleben von oben, schnell in einem reinen Formalismus. Oft stellt man selbst in Unternehmen, in denen die oberen Führungskräfte seit Jahren für MbO werben, fest: Ein Großteil der Führungskräfte steht nicht voll hinter diesem Managementsystem, weil er ein anderes Führungsverständnis hat.
Wie kann man dem begegnen?
Schumacher: Zum einen, indem das Top-Management weiterhin hierfür wirbt, zum anderen, indem das Unternehmen die Führungskräfte entsprechend fördert. Das Top-Management muss aber auch den nötigen Veränderungsdruck erzeugen, der den Führungskräften signalisiert: ‚Wir müssen unser Führungsverständnis und -verhalten verändern, sonst …’.
Gewinnt das Management dadurch nicht autoritäre Züge?
Schumacher: Manche Mitarbeiter, auch Führungskräfte erfahren ein solches Verhalten gewiss als autoritär. Es ist aber nicht autoritär. Denn das Top-Management darf nicht nur Veränderungen beschließen, es muss diese auch vorantreiben. Hierfür wurde ihm seine Handlungs- und Entscheidungsmacht verliehen.
Sollten die Zielvereinbarungen mit der Vergütung gekoppelt sein?
Schumacher: Ja. Das erhöht die Verbindlichkeit. Außerdem ist das Vergütungssystem für die Mitarbeiter ein wichtiger Indikator, was dem Unternehmen wirklich wichtig ist.
Wie hoch sollten die Ziele sein?
Schumacher: Das hängt von der Unternehmenskultur ab. Die Ziele sind aber gewiss nicht ehrgeizig genug, wenn sie stets zu 150 Prozent erfüllt werden. Ähnlich ist es, wenn die Mitarbeiter die Ziele stets nur zu 70 oder 50 Prozent erfüllen. Dann sind entweder die Ziele unrealistisch oder die Mitarbeiter schlecht.
Herr Schumacher, vielen Dank für das Gespräch!
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