ESC100 “Ask the Expert”, mit Dr. Micic Futuremanagement AG
März 25, 2009 on 9:07 pm
Dr. Pero Mićić gilt international als ein führender Experte für
Zukunftsmanagement
. Er ist Vorstand der FutureManagementGroup AG, deren Mission es ist, Top-Entscheidern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu helfen, mehr von der Zukunft zu sehen als die Konkurrenz.
Dr. Pero Mićić berät die Führungsteams und Zukunftsexperten großer Konzerne und führender Mittelständler zu Ergebnissen und Methoden der unternehmerischen Zukunftsforschung und begleitet sie bei der Umsetzung in praktische Marktchancen und Strategien. Er ist Keynote-speaker auf Fachtagungen und Festveranstaltungen in Städten wie Mexico, Houston, Washington, Warschau, London, Paris, Barcelona, Budapest, Prag, Moskau, Singapur und Kuala Lumpur. Er studierte Wirtschaftswissenschaft und Future Studies in Deutschland und den USA und promovierte in Großbritannien über “Phenomenology of Future Management in Top Management Teams”.
Fragen an Herrn Dr. Pero Micic, Vorstand, Future Management Group AG
Herr Micic, schön dass Sie sich für unser Gespräch Zeit nehmen. Wir durften Sie ja bereits auf dem Handelsblatt Kongress, „Personal des 21. Jahrhunderts“ live erleben und waren sehr angetan von Art und Inhalt Ihrer Rede. Lassen Sie uns gleich einsteigen:
Spitzenmanager und Führungskräfte stehen scharf in der Kritik. Die Politik diskutiert Begrenzung von Managergehältern, der Staat verschuldet sich für die nächsten 50 Jahr, da stellt sich die Frage, sind die Manager heute schlechter als bspw. vor 20 Jahren ? Haben Sie Erkenntnisse oder Hinweise, dass die visionären strategischen Aspekte in der Führung an Qualität nachlassen oder sind es moralische, soziale Verhaltensweisen, die heute weniger zum Tragen kommen. Oder ist es vielmehr so, dass das komplexe Zusammenspiel unserer heutigen Zeit vielfach überfordert?
Dr. Micic: In dieser ganzen Diskussion um das Versagen “des Marktes”, wie man das zurzeit so häufig hört, und die schwachen Manager, ist eine wichtige Unterscheidung untergegangen: Die Wirtschaftskrise wurde nicht von den Millionen Unternehmern und Managern verursacht, die in realen Märkten ihre Produkte und Dienstleistungen im Wettbewerb mit Ihresgleichen anbieten und liefern. Sie nahm vielmehr ihren Anfang in einer zunehmend maßlosen und weitgehend virtuellen Welt des Handels mit immer komplexeren Finanzprodukten. Am Ende wusste niemand mehr wirklich, wer wem wofür Geld geliehen hatte und wer dafür letztlich haftet. Tatsächlich versagt hat allenfalls die zahlenmäßig relativ kleine Zahl von Finanzjongleuren, die die Komplexität ihrer virtuellen Produkte nicht mehr überblicken konnten. Es fehlte schlicht die nötige Transparenz, es fehlten die systemisch nötigen Feedbacks und Korrekturen, es fehlte der Blick für das Ganze. Während in der realen Wirtschaft immer noch gilt und weiterhin gelten wird, dass das Streben nach eigenen Vorteilen meist auch dem Gesamtwohl dient, ist dieser produktive Zusammenhang in der Finanzwirtschaft verloren gegangen. Der kurzfristige Vorteil des Einzelnen gerierte am Ende zum Schaden der Gesamtheit . Ja, dieses System hat versagt, aber nicht die Marktwirtschaft per se. Somit sehe ich keine wesentliche Verschlechterung der strategischen Führung oder moralischer Verhältnisse. Sie sind so gut oder so schlecht wie immer. Dieser Tage schimpfen die Politiker und mit ihnen jeder Stammtisch-Ökonom wieder mal auf Nieten in Nadelstreifen und diffamieren damit die große Mehrheit der Unternehmer und Manager, die mit viel Einsatz, oft unter großen Opfern und mit ehrlicher Leidenschaft für Wohlstand sorgen.
Von welchen Learnings aus der aktuellen Krise könnten / werden wir in Zukunft profitieren?
Dr. Micic: Krisen sind Übergänge von einer Ära zur anderen. Manchmal müssen wir Krisen sogar herbeiführen, sie sind oft der Preis für nötigen Wandel, ob im Leben, im Unternehmen oder im Staat. Eine neue Ära bringt Besseres und Schlechteres, wobei langfristig gesehen der positive Fortschritt überwiegt. Ich habe die Annahme, nicht unbedingt die Gewissheit, dass wir zumindest ein stabileres Finanzsystem haben werden. Das wird allerdings den Preis niedrigerer Renditen haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gier der Finanzjongleure letztlich auch durch die Gier der ganz normalen Anleger auf höhere Renditen getrieben wurde. Ein bisschen sind wir alle schuld an dieser Krise.
Ich erwarte zudem, dass dem Unerwarteten, der roten Zukunftsbrille, wie wir es nennen, in Zukunft mehr Bedeutung beigemessen werden wird. Der 11. September 2001 hat dafür offenbar nicht gereicht.
Welche Kernqualifikationen bei Manager sehen Sie für die neue Arbeitswelten (Globalisierung, Vernetzung, Digitalisierung, beschleunigter Wandel) wenn Sie mal 10 Jahre voraus denken und welche Führungskompetenzen sind dringend notwendig?
Dr. Micic: Was für das Führen eines größeren Unternehmens an Qualifikationen nötig ist, ist seit vielen Jahren bekannt und wird sich nicht wesentlich verändern. Allerdings wurde der Kanon der in der Theorie offenbaren wichtigen Managementqualifikationen nur wenig in der Praxis gelebt. Wenn ich mir so manchen Vorstandsworkshop in Erinnerung rufe, wundere ich mich heute noch über die Naivität und Kurzsichtigkeit vieler Manager. Wer in der Zukunft besser führen will, wird sich vor allem in zwei Bereichen hervortun müssen. Erstens in der schon oft geforderte Fähigkeit zum produktiven Umgang mit Komplexität und zweitens in der Früherkennung, Erforschung und Erschließung von Zukunftsmärkten mit soliden Zukunftsstrategien. Letzteres geht über das klassische strategische Management deutlich hinaus.
Wie weit wird die Flexibilisierung von Arbeitswelten noch gehen? Mit welchen visionären Entwicklungen freunden Sie sich als Zukunftsforscher bereits an?
Dr. Micic: Ich bezeichne mich nicht als Zukunftsforscher. Wir nennen unser Fachgebiet Zukunftsmanagement, weil wir sehen, dass zwischen den mehr oder minder brauchbaren Erkenntnissen der Zukunftsforschung und dem praktischen Bedarf der Unternehmen immer noch eine große Lücke klafft. Zukunftsmanagement ist die Brücke zwischen diesen beiden Welten.
Zur Ihrer Frage: Outsourcing hat ein natürliches Optimum und damit letztlich auch ein Maximum, nämlich dort, wo durch eine größere Zahl von zu koordinierenden Akteuren die Komplexitätskosten die Effizienzgewinne durch Outsourcing an Spezialisten übersteigen. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt, wenn Sie Flexibilität hinsichtlich der Orte, Zeiten und Formen der Arbeit meinen, hat dort ihr Ende, wo es einer kritischen Masse der Menschen zu komplex und kompliziert wird. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass immer noch die überwiegende Mehrzahl der arbeitenden Menschen die vermeintlich sichere Anstellung dem notorischen Freelancer-Leben vorzieht. Die Entrepreneurisierung, wie wir die Umkehrung des Trends zur Domestizierung des arbeitenden Menschen nennen, wird uns nur langsam, etwa über eine Generation, wieder in eine Welt stärkerer Selbstverantwortung und des Lebensunternehmertums führen. Vor der Industrialisierung hatten wir das alles schon, bevor wir die Menschen von den Feldern in die Manufakturen, Fabriken und Kontore geführt und sie an geregelte Arbeitszeiten, regelmäßige und gleichmäßige Gehälter und bezahlten Urlaub gewöhnt haben.
Haben wir in Deutschland in 10 Jahren noch Arbeit für alle? Oder müsste es einem angesichts der Digitalisierung und dem Internet nicht Angst und Bange sein, dass wir in 10 Jahren nicht mehr ausreichend Arbeitsplätze für alle haben. Beispiele gibt es genug, nehmen wir das Thema Reisen als es noch an der Zeit war, das Flugticket im Reisebüro bei der Verkaufsberaterin zu erwerben etc. Heute buchen wir das Ticket via Internet, wir suchen den Sitzplatz, wir drucken das Ticket und wir passieren ohne Kontrolle das Gate dank neuester Scanner oder Barcode Technologien. Diese Kette der Substituierung können wir heute auf eine Vielzahl von Branchen übertragen. Woher sollen ausreichend neue Arbeitsplätze für alle kommen? Was sagen Ihre Zukunftsberechnungen?
Dr. Micic: Zukunftsberechnungen? Die Zukunft ist weder exakt voraussagbar noch berechenbar. Eine voraussagbare Zukunft wäre nicht mehr gestaltbar, wir wären Marionetten in einem vorbestimmten Spiel. Ich jedenfalls freue mich, dass die Zukunft offen ist, denn nur dann kann ich etwas an der Zukunft verändern.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Weber gegen die neuen Webstühle aufstanden, als so genannte Maschinenstürmer, und manche von ihnen sogar Erfinder umbrachten, waren sie auch der irrigen Annahme, die Arbeit ginge aus. Auch Herman Kahn nahm noch in den 1960er Jahren an, dass wir uns schon um die Jahrtausendwende in eine Freizeitgesellschaft verwandelt haben werden, weil Maschinen, Roboter und Software unsere Arbeit machen. Er konnte sich den Webdesigner und die Expertin für Managementtraining mit Pferden schlicht nicht vorstellen.
Richtig ist, dass Arbeitsplätze und ganze Berufe verschwinden werden. Das passiert so seit vielen tausend Jahren, in zunehmendem Tempo. Für Viele führt dies zur beruflichen, finanziellen und existenziellen Katastrophe. Sehen wir aber wieder auf das Ganze dürfen wir getrost davon ausgehen, dass uns auch hundert Jahren die Arbeit nicht ausgegangen sein wird. Jede Neuerung führt zu neuen Problemen und neuen Wünschen. In der Zukunft werden sie zunehmend immateriell, seelisch und geistig sein.
Der verdeckte Stellenmarkt ist bis dato immer noch ein Markt welcher im Vgl. zu anderen Märkten sehr wenig transparent ist. Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie hier und für wen ergeben sich daraus welche Chancen?
Dr. Micic: Hier fragen Sie einen Laien in diesem Thema. Wir haben dieses Feld bisher nicht untersucht. Das Internet, vor allem die sozialen Netzwerke haben ja eine Art vernetzt-verdeckten Stellenmarkt geschaffen und es würde mich schon überraschen, wenn der verdeckte Stellenmarkt nicht Anteile hinzugewinnt. Wo die hohe Qualifikation rar wird, und nach der Wirtschaftskrise wird dieser Trend wieder an Fahrt gewinnen, warten die Inhaber dieser Qualifikationen nicht auf die Stellenanzeige und warten die Suchenden nicht auf Bewerbungen. Beide werden sich intensiver, gezielter und selbstbestimmter suchen und dafür, neben den konventionellen Wegen, alle Möglichkeiten der sozialen Netzwerke nutzen. Wer frühzeitig diese Klaviatur beherrschen lernt, schöpf die Potenziale aus und hat Wettbewerbsvorteile, sowohl der Mitarbeiter wie auch das Unternehmen.
Letzte Frage Herr Micic, warum hatten die Zukunftsforscher die Globale Weltwirtschaftskrise nicht auf Ihrem Radar oder hatte Sie jmd. auf dem Radar? kam der dramatische Zusammenbruch für Sie sehr überraschend?
Dr. Micic: Es gibt rund ein Dutzend Bücher aus den Jahren 1998 bis 2006, die mehr oder minder gut beschreiben, was wir gerade erleben. Wer sich umsah, konnte gewarnt sein. Nur haben die meisten es verdrängt. Mit unserer blauen Zukunftsbrille betrachtet, also Zukunftsannahmen, auf die ich viel Geld verwetten würde, habe ich mit dieser Krise in diesem Ausmaß nicht fest gerechnet. Aber ich sah die vielen Signale und somit auch die Möglichkeit eines Crashs. Ich habe im April 2006 alle meine Aktien und Aktienfonds verkauft.
Wir haben in unserer Arbeit bei der FutureManagementGroup AG seit mehr als zehn Jahren auf die Möglichkeit einer durch finanzielle Turbulenzen ausgelösten Weltwirtschaftskrise hingewiesen. Übrigens auch auf eine mögliche Währungsreform. Das heißt nicht, dass wir das alles “vorausgesagt” haben, sondern dass wir bei jeder Entwicklung einer Zukunftsstrategie und in Analysen von Zukunftsmärkten immer auch die, wie wir es nennen, rote Zukunftsbrille aufgesetzt haben und auf das Unwahrscheinliche, aber Gefährliche hingewiesen haben. Unsere provokative Forderung, man möge sich auf den Fall vorbereiten, dass man innerhalb von fünf Wochen fünfzig Prozent des Umsatzes verlieren könnte, haben viele verworfen. Wer sich auf dieses Gedankenexperiment eingelassen hat, konnte sich vorbereiten und ein Stück weit immunisieren.
Sehr geehrter Herr Micic, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
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